Der Hahn stand auf seinem Misthaufen und betrachtete zufrieden sein Reich. Alles war in bester Ordnung. Die Hühner scharrten nach Körnern, die vom letzten Füttern übrig geblieben waren. Es gab sandige Plätze und verschwiegene Ecken mit weichem Gras hinter Büschen und Stauden. Er krähte einmal laut und zufrieden.
Durch die behagliche Sommerwärme sirrte ein Rauschen von Flügelschlägen. Der Hahn wunderte sich – für ein Flugzeug viel zu leise, für einen Vogel zu langsam, für Hummeln zu laut. Dann schwebte ein großer Schatten über ihm und landete vor seinem Misthaufen. Es war ein Drache, der sich etwas ängstlich umschaute, bevor er den Hahn ansprach. „Sieht uns hier jemand? Nein? Es ist so warm in meiner Drachenhöhle, ich kann es nicht mehr ertragen, ich brauche frische Luft!“ „Dann kommst Du ausgerechnet zu meinem Misthaufen?“ fragte der Hahn erstaunt. „Ich suchte nach einem Platz im Schatten, wo mich keiner sieht. Wenn die Menschen mich sehen, brechen sie gleich in Geschrei aus und wollen mich verjagen oder einsperren.“ Da nie jemand in die hintersten Ecken des Hühnerreiches gelangte, so lange genug Eier in den Nestern zu holen waren, schlug der Hahn vor, der Drache möge sich ein Plätzchen hinter den Büschen suchen, wo es kühl war. Er sorgte dafür, dass kein Huhn in die Nähe geriet. In der Abendkühle verabschiedete sich der Drache erholt vom Hühnerhof, dankte dem Hahn und flog zurück in seine Drachenhöhle.
Das Wetter wurde kälter. Der Hahn blickte morgens über die frostweißen Felder. Er lief umher, krähte lange und versuchte, sich zu wärmen. Als der Frost auch tagsüber in die Federn kroch, erinnerte er sich des Drachens, der jetzt sicher in seiner warmen Höhle saß und Wolken in die eisige Luft pustete. Wie gern wäre der Hahn dorthin geflogen. Wehmütig krähte er vor sich hin.
Plötzlich hörte er das Sirren in der Luft und sah einen großen Schatten auf sich zukommen. Es war der Drache, der sich an die Kühle des Hofes erinnerte und um den Hahn sorgte. Während alle Hühner auf ihren Nestern saßen, stand er immer noch allein draußen auf dem Misthaufen. Der Drachen grüßte ihn freundlich. Der Hahn bekannte, wie gern er zum Drachen gekommen wäre, wenn er doch nur den Hof verlassen könne. Seine Flügel gäben aber nur einen kleinen Flug rauf und runter vom Misthaufen her. Der Drache überlegte nicht lange, ließ den Hahn auf seinem Rücken platznehmen und hob ganz langsam und vorsichtig ab. Er achtete auf den Flugwind, damit der nicht den leichten Hahn wegwehen würde. Sorgsam segelte er zu seiner Höhle und setzte den Hahn ab. Dieser war begeistert von der wohligen Wärme der Drachenhöhle und wärmte sich den ganzen Tag auf. In der Dunkelheit brachte der Drache den Hahn zurück.
Fortan hielten sie es immer so: an besonders warmen Tagen erfrischte sich der Drache im kühlen Schatten des Hühnerhofes, an frostigen Tagen holte er den Hahn ab und ließ ihn an seinem wärmenden Feuer teilhaben. Und niemand hat die beiden je gesehen….